Filpe
- Chronik
1740
bis 1799
Unsere Familie Filpe wohnt 1740 schon rund 100 Jahre in Jungferndorf, das im Bezirk der Stadt Freiwaldau im Herzogtum Ost-Schlesien liegt. Das Herzogtum gehört nach wie vor der habsburgischen, kaiserlich und königlichen Österreichisch-ungarischen Monarchie an und grenzt im Süden an die Markgrafschaft Mähren. Friedrich II., der Große, der mit dem Tode seines Vaters, Friedrich Wilhelm I., am 31. Mai 1740 auf den preußischen Thron folgt, nutzt gekonnt die „Gelegenheit“ als mit dem Tode Kaiser Karl VI. am 20.10.1740 die männliche Linie der Habsburger-Dynastie ausstarb und ein Streit um die Thronfolge Österreichs entbrannte.
Die „Pragmatische Sanktion“, die der Kaiser bereits 1713 erließ, um seiner Tochter Maria Theresia die Thronfolge zu sichern, erwies sich nach seinem Tod als wertlos. Bayern, Sachsen und Spanien erhoben Ansprüche auf Teile des Habsburger Reiches und bedrängten die Wiener Hofburg.
Friedrich II. von Preußen hält sich jedoch mit derlei „diplomatischen Geplänkel“ nicht auf und stellt der jungen Thronerbin Maria Theresia ein Ultimatum. Für die Abtretung Schlesiens bietet er unter anderem die Stimme Preußens bei der Wahl ihres Gemahls zum Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nation. Da Maria Theresia allerdings den Handel ablehnt, gibt Friedrich II. Mitte Dezember 1740 den Marschbefehl für 28.000 Soldaten und überfällt das seit 1526 habsburgische Schlesien. Bereits am 4.Januar 1741 ist die schlesische Hauptstadt Breslau besetzt und nach knappen fünf Wochen das restliche Schlesien. In der Schlacht bei Mollwitz, etwa 50 Kilometer nördlich von Jungferndorf, fällt am 10.April 1741 die Vorentscheidung über den Ausgang des Krieges mit Sieg der preußischen Truppen. Das Kriegsgeschehen rückt immer näher an die Heimatorte der Filpes und es ist anzunehmen, dass auch einige unserer Vorfahren sich im österreichischen Heer den vorrückenden Preußen entgegenstellten. Kurz vor der Grenze des Herzogtums Ost-Schlesien schließt Friedrich II. Jedoch am 9.Oktober 1741 in Klein Schnellendorf bei Neisse einen Waffenstillstand, der die Kampfhandlungen des Ersten Schlesischen Krieges beendet.
Als der bayrische Kurfürst Karl VII. Am 24.Januar 1742 in Frankfurt zum Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nation gewählt wird, legen sich schon zwei Tage später schwere Schatten über seinen Triumph. Die Österreicher, vom preußischen Druck in Böhmen befreit, haben München erobert. Der Erfolg der Habsburger überrascht nicht nur die Wittelsbacher, sondern auch Friedrich II., der nun die Annexion Bayerns durch Österreich befürchtet. Umgehend marschiert er wieder gegen Österreich. Im Sieg von Chotusitz am 17.Mai 1742 ringt er Maria Theresia den Präliminarfrieden von Breslau ab, dem am 28.Juli 1742 der bestätigende Friede von Berlin folgt. Im Besitz von Ober- und Niederschlesien, ist für Friedrich II. Der Krieg vorbei, während Maria Theresia weiterhin im Kampf steht, der sich mittlerweile zu einem europäischen Krieg ausgeweitet hat: dem Österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748). Mit englischer Hilfe schlagen sich die Habsburger immer besser, bis sich eine Niederlage Frankreichs abzeichnet.
Diese drohende Machtverlagerung im europäischen Gefüge kann Friedrich II. Nicht hinnehmen und überfällt abermals die Österreicher. Diesen Zweiten Schlesischen Krieg (1744/45) entscheidet Friedrich der Große in der Schlacht bei Hohenfriedberg am 4.Juni 1745 und bei Kesselsdorf am 15.Dezember 1745. Zwei Tage später fällt Dresden, die mit den Österreichern verbündeten Sachsen kapitulieren. Maria Theresia beendet wohl oder übel den Krieg mit Preußen im Frieden von Dresden am 25.Dezember 1745, der für Österreich eine eindeutige Niederlage darstellt. Da Österreich weiterhin bemüht ist, das an Rohstoffen reiche Schlesien zurückzuerobern, kommt es 1756 zum Dritten Schlesischen Krieg, dem Siebenjährigen Krieg. Nachdem Friedrich II. am 9.Septemeber 1756 bereits Dresden, als Verbündete Nation Österreichs, erobert hat, zieht der Krieg immer größere Kreise. Außer Sachsen sind Böhmen, Schlesien, Neumark, Pommern und Hannover betroffen. Nach wechselvollem Kriegsverlauf, ist Friedrich II. schließlich wegen erschöpfter Ressourcen und der Aufkündigung englischer Unterstützung aufs Äußerste bedrängt. Der plötzliche Tod der Zarin Elisabeth (1762) rettet ihn. Ihr Nachfolger Peter von Holstein (Zar Peter III.), einer seiner Bewunderer, stellt die Kämpfe ein. Im gleichen Jahr erobert Friedrich II. Schweidnitz und Freiberg. Erschöpfung und Kriegsmüdigkeit machen auch die Österreicher und Franzosen friedensbereit. In Europa endet der Siebenjährige Krieg am 15.Februar 1763 mit dem Frieden auf der Hubertusburg. Österreich verliert endgültig Schlesien und Preußen etabliert sich sich als fünfte Großmacht Europas. Schlesien wurde somit in einen großen preußischen - und kleinen österreichischen Anteil zerrissen. „Maria Theresia behielt den Zaun und Friedrich bekam den Garten!“ Die Grenzziehung ging aus strategischen Gründen unbarmherzig durch eine Reihe unserer Dörfer, zerriss Familienbande und Sippenzusammenhänge. In jenen Tagen - seit 1728 - bewohnten Balthasar FILPE (1698 - 1777) und dessen Ehefrau Anna geb. NEUGEBAUER das Filpe-Stammhaus Jungferndorf Nr.84. Das Gut Jungferndorf ging im Jahre 1762 an Johann Christof von Wimmersberg über. Im Jahre 1768 vermählte sich dann Maria Anna von Wimmersberg, Tochter des Gutsherrn, mit Johann Ernst von Skal und Groß-Ellguth aus Groß Kunzendorf: welcher, nachdem er als Kreishauptmann von Znaim pensioniert war, im Jahre 1800 das Gut Jungferndorf übernahm. Er gründete die erste Schule in Jungferndorf im Jahre 1755 und stellte als ersten Lehrer Johann Richter an.
Im Jahre der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 04.Juli 1776, wird in Jungferndorf mein Obervater Johannes Michael FILPE am 27. September 1776 geboren. Er ist das fünfte Kind des jungferndorfer Dreschgärtners Philippus Jacobus FILPE (Jacob Filpe, 1739-1811) und der Anna Rosina Filpe, geb. BUCHMANN (1740-1811), die seit 1768 das Filpe-Stammhaus Jungferndorf Nr.84 bewohnen. Bemerkenswert an den Vornamen des Philippus Jacobus ist, dass hier Bezug auf den Familiennamenursprung zurückgehend auf den Apostel Philippus genommen wurde, der seinen Gedenktag am 3.Mai zusammen mit dem Apostel Jakobus dem Jüngeren hat. Es zeigt die tiefe Religiösität der Familie Filpe. Ebenso könnte Balthasar FILPE (1698 - 1777) seinen Sohn Jacob nach seinem Großvater, Jacob FILPE (1607-1681), genannt haben. Bei Anna Rosina Buchmann handelt es sich um die Tochter des Johann Frantz BUCHMANN (geb. 1710), der als Soldat im „Kayserlichen Palavicinischen Regiment“ diente. Die Geschichte seiner militärischen Laufbahn und seiner Erlebnisse im Italien-Feldzug (1731-1737) im Laufe des Polnischen Thronfolge-Krieges finden Sie hier.
Überraschend segnet Kurfürst Maximilian III. Joseph von Bayern das Zeitliche am 31.12.1777 und Österreich meint das Nachbarland in Besitz nehmen zu können, gewissermaßen als Ausgleich für den Verlust Schlesiens. Diese Aktion bleibt nicht lange ungesühnt, am 5. Juli 1778 rücken preußische Truppen in Böhmen ein und lösen den Bayrischen Erbfolgekrieg aus. Als Kriegsgrund nennt Friedrich II. Den Schutz der Reichsverfassung und gewinnt im Reich ungeheure Popularität.
Der Krieg besteht in der Hauptsache im Requirieren von Lebensmitteln, der Volksmund nennt ihn daher in Deutschland den „Kartoffelkrieg“ und in Österreich den „Zwetschkenrummel“. Auf Drängen Rußlands und Frankreichs kommen Österreich und Preußen am 13.Mai 1779 an den Verhandlungstisch. Dieses ereignet sich im österreichisch-schlesischen Teschen, nur etwa 100 km östlich von Jungferndorf. Die Verhandlungen haben zur Folge, dass Bayern das Innenviertel abtreten muss - es wird Bestandteil Oberösterreichs - Preußen erhält den Anspruch auf Ansbach-Bayreuth bestätigt und Sachsen eine Geldentschädigung.
Nach dem Tod Maria Theresias am 29.November 1780 ist ihr Sohn Kaiser Joseph II. Von Österreich-Ungarn auf sich allein gestellt und beweist kein sehr großes Geschick im Umgang mit seinen Untertanen, zu denen auch die Familien Filpe gehören. Viele seiner Reformen, wie z.B. Das Gesetz zur Aufhebung der Leibeigenschaft (1782) oder die Einführung des Deutschen als Amtssprache (1784), mit der er das noch übliche Latein ersetzen will, sind bahnbrechend, aber das Tempo der Veränderung ist für das Volk eher beunruhigend und ruft auch Proteste hervor. Dank seines Gesetzes war es mir 213 Jahre später möglich, die ersten Kirchenbücher in deutscher Sprache lesen zu können.
Am 18. April 1785 kommt in Jungferndorf Nr.84 das sechste und letzte Kind der Eheleute Philippus Jacobus FILPE (Jacob Filpe, 1739-1811) und der Anna Rosina Filpe, geb. BUCHMANN (1740-1811) zur Welt: Johann George FILPE wird auch gleich am selben Tage vom frisch eingesetzten Hofkaplan bei der Herrschaft von Skal, Pater Josef Görlich, getauft.
Als Friedrich der Große am 17.August 1786 stirbt, vollzieht sich der Thronwechsel in Preußen reibungslos. In Jungferndorf derweil, wird 1787 die Jungferndorfer Kirche St.Joachim geweiht. Der Hofkaplan Pater Josef Görlich wird somit erster Lokalkaplan von Jungferndorf. Am 08.Mai 1786 heiratet Frantz Anthon FILPE die Helena SPIELVOGEL in Jungferndorf, wo ihnen dann am Montag, den 29.Januar 1787, im Sternzeichen des Wassermanns, ihre erste Tochter, Veronika FILPE, geboren wird. Ihr Geburtseintrag im „Geburts- und Taufbuch von Jungferndorf, Band I. 1785-1839“ ist der erste Taufeintrag eines Filpe im ersten jungferndorfer Kirchenbuch! In den Filpe-Linien I und II tauchen 1787 Hausnummer 66 (Linie I) und 1791 Hausnummer 67 (Linie II) als erste schriftliche festgehaltene Hausnummern auf. Diese beiden Häuser liegen am großen Grundstück des Hauses Jungferndorf Nr.84 in der nordöstlichen Waldrandlage am Krischkerberg (Christberg). Michael FILPE (1647 - 1719) war 1693 Schaffer auf Jungferndorf, d.h. er war der Vermögensverwalter des Ortes, Klosters oder Hausanwesens (Schloßes). Er ist der gemeinsame Vorfahre der Linien I und II. Dessen Söhne Johannes FILPE (Linie I) und Michael FILPE (Linie II) scheinen die Häuser Jungferndorf Nr.66 (Linie I) 1787 und Nr.67 (Linie II) 1791 zu bewohnen.
Ausschnitt
aus der Kataster-Karte von Jungferndorf aus dem Jahre 1836
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Gegen Ende des Jahres 1787 mahnt Zarin Katharina II. Bei Joseph II. Die gegebenen Versprechen ein. Er muss, obgleich aus dem Bayernhandel nichts geworden ist, im ausbrechenden Russisch-Türkischen Krieg Partei für das Zarenreich ergreifen und auf dem Balkan gegen die Osmanen marschieren. Joseph zieht ungern in den Krieg, den ein englisch-französisches Komplott anzettelte. Österreich seinerseits am 9. Februar 1788 dem Osmanischen Reich den Krieg und erreicht unter Einsatz von 245.000 Mann und 37.000 Reitern auch bescheidene Erfolge, bis Sumpffieber und schwere Niederlagen das Heer dezimieren. Joseph II. Erkrankt an Malaria und kehrt, dem Tode nahe, heim.
In diesem schweren Jahr, da das Volk um das Leben seines Kaisers bangt, bekommen Frantz Anthon FILPE und Helena am Mittwoch, den 29. Oktober 1788 im Haus Nr. 86 - fast am Ortsausgang zu Haugsdorf in nördlicher Richtung den Weidenbach abwärts - ihren ersten Sohn, der am selben Tage auf den Namen Johann Simon FILPE getauft wird. Wahrscheinlich haben Frantz Anthon FILPE und Helena das Haus Jungferndorf Nr.86 im Jahre 1788 von Helenas Eltern geerbt oder sie haben es sich gekauft. Sie wohnen nun in direkter Nachbarschaft mit Philippus Jacobus FILPE (Jacob Filpe, 1739-1811) in Haus Nr.84. Ab 1788 werden die Nachfahren der Linie I (nach Johannes FILPE) somit in Haus Jungferndorf Nr.86 geboren, bis diese Linie durch den frühen Tod der einzigen beiden Söhne und der Heirat der drei Töchter namentlich erlischt.
Kaiser Joseph II. Stirbt am 20. Februar 1790 in Wien. Während man in Ungarn seinen Tod mit Freudenfesten feiert, macht sich Leopold, sein toleranter und liberaler Bruder, Großherzog der Toskana, auf den Weg nach Norden, um in der alten Kaiserresidenz Wien seine Thronfolge anzutreten.
Wahrscheinlich im Eindruck der Trauer um ihren Kaiser Joseph II., benennen Frantz Anthon FILPE und Helena ihre am Freitag, den 12. März 1790 in Haus Nr. 86 geborene Tochter nach des Kaisers Mutter: Maria Theresia FILPE. Sie ist das dritte Kind und die zweite Tochter des Ehepaares und wird am selben Tage in Jungferndorf getauft.
Der neue Kaiser Leopold II. geht mit Eifer daran, das josephinische Wirrwarr an Neuerungen im Habsburgerreich zu beseitigen. Manche nimmt er zurück, manche belässt er, wie das Toleranzpatent von 1781, das die freie Religionausübung für alle nichtkatholischen Christen und Juden garantiert. Die Ereignisse der Französichen Revolution beunruhigen Leopold zutiefst. Noch vor wenigen Monaten wies er den verzweifelten Hilferuf Marie Antoinetts, sie aus der Gefangenschaft der Sansculotten, der französischen Revolutionäre, zu befreien, brüsk ab: „Ich habe ein Schwester“, antwortete er, „die Königin von Frankreich. Aber das Heilige Römische Reich hat keine Schwester, und Österreich hat keine Schwester. Ich darf einzig handeln, wie es das Wohl der Völker gebietet, und nicht nach Familieninteressen!“
Derweil bekommt das Ehepaar Antonius FILPE und Regina geb. PASCHKE sein erstes Kind. Ihre Tochter Anna Maria FILPE erblickt am Donnerstag, den 20. Januar 1791 in Jungferndorf Nr.67 (siehe Karte oben) das Licht der Welt. Jetzt im Frühjahr 1791, befürchtet Leopold II. Für die Königsfamilie das Schlimmste. In einem Rundschreiben beschwört er England, Preußen, Sardinien, Neapel und Russland, ihn gegen Frankreich zu unterstützen. Preußen ist dazu auch bereit und schließt mit Österreich am 25.Juli 1791 ein Abkommen, das sie am 7.Februar 1792 um einen Beistandspakt erweitern. Doch schon einen Monat später stirbt Kaiser Leopold II. am 3.März 1792.
Zweieinhalb
Monate darauf kommt es in Jungferndorf erneut zu einem freudigen
Ereignis. Antonius
FILPE und Regina
geb. PASCHKE bekommen ihr zweites Kind und zweite Tochter Anna
Elisabeth FILPE am Christi Himmelfahrt-Donnerstag, den 17. Mai
1792 im Haus Nr.67.
Auf den österreichischen Thron folgt der Sohn Leopolds II., der Erzherzog Franz. Er wird als Franz II. am 14.Juli 1792, dem dritten Jahrestage der Erstürmung der Bastille, in Frankfurt zum Kaiser gekrönt. Jetzt kann er endlich losschlagen und erklärt bereits am 20.April 1792 Frankreich den Krieg. Erst Ende Juli 1792 marschieren Österreicher und Preußen entlang der Grenze auf und schon legen sich Schatten auf das junge alliierte Verhältnis: Preußen anektiert die Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth, deren Linie ausgestorben ist. Sehr zum Ärger von Kaiser Franz, der seine Ansprüche ebenfalls angemeldet hat und von ihnen nicht abrücken möchte. Am 19.August 1792 sind die Alliierten so weit, dass sie zur Offensive übergehen können. Zehn Tage später stehen die preußischen Truppen vor Verdun, der Weg nach Paris scheint offen. Doch dann gerät der Vormarsch ins Stocken. Bei Valmy entwickelt sich das erste Duell, in dem sich die französische Freiwilligenarmee zum ersten Mal behauptet. Der Herzog von Braunschweig lässt seine durch Ruhr geschwächten Truppen nach einer ergebnislos verlaufenden Kanonade über Luxemburg ans rechte Rheinufer abrücken. Valmy wird zur Wende des Krieges, der noch nicht einmal richtig begonnen hat. Johann Wolfgang Goethe befindet sich als Kriegsberichterstatter im Tross der unglückseligen Interventionsarmee des Herzogs, er schreibt: „Unbeweglich standen die Franzosen, unserer Leute zog man aus dem Feuer zurück, und es war eben, als wenn nichts gewesen wäre. Die größte Bestürzung verbreitete sich über die Armee. Noch am Morgen hatte man nichts anderes gedacht, als die sämtlichen Franzosen anzuspießen und aufzuspeisen, ja mich selbst hatte das unbedingte Vertrauen auf ein solches Heer, auf den Herzog von Braunschweig zur Teilnahme an dieser gefährlichen Expedition gelockt; nun aber ging jeder vor sich hin, man sah sich nicht an, oder wenn es geschah, so war es um zu fluchen oder zu verwünschen.“ Französische Truppen stoßen nach und besetzen, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen, innerhalb von fünf Wochen Speyer, Worms, Mainz und Frankfurt. Am 6.November 1792 schlägt Frankreich Österreich bei Jemappes, vertreibt es aus Belgien und besetzt die südlichen Niederlande. Goethe ergänzt Jahre später seinen Bericht über den Rückzug von Valmy:“Diesmal sagte ich: Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“
Längst haben die Radikalen in Paris das Wort. Erbarmungslos gehen sie gegen die Opposition vor. Zwischen 2. September und 5. September 1792 kommt die Guillotine nicht zum Stillstand, 6000 wirkliche und vermeintliche Revolutionsgegner verlieren den Kopf. Am 21. Januar 1793 steigt Ludwig XVI. Auf das Schafott, die Menge tanzt dazu die „Farandole“. Fast neun Monate später folgt ihm seine Frau, Marie Antoinette. 1793 unternehmen Österreich und Preußen, jetzt mit Unterstützung der Niederlande, Spaniens und Grossbritanniens, den zweiten Versuch, Frankreich zu unterwerfen. Ein weiterer Unruheherd, der seine Wurzeln ebenfalls in sozialen Nöten hat, ist Schlesien. Die Bauern von Glatz, Oppeln und Neisse lösen 1793 den Schlesischen Aufstand aus, breslauer Gesellen tragen ihn zu den durch fortschreitende Industrialisierung ruinierten, arbeitslosen kleinen Webern. Den Aufstand wirft das Militär nieder.
In diesen aufständischen Zeiten vor der Haustüre Jungferndorfs kommt der zweite Sohn und viertes Kind von Frantz Anthon FILPE und Helena geb. SPIELVOGEL zur Welt: Augustin Anton FILPE wird am Mittwoch, den 28.August 1793 in Jungferndorf Nr.86 im Zeichen der Jungfrau geboren. Er ist gerade achte Tage alt, als am 5.September 1793 um 12.51 Uhr der Tag zur Nacht wird, da es zu einer Sonnenfinsternis kommt.
An der weit entfernten Kriegsfront gegen Frankreich zeichnet sich derzeit ein Kompromiß ab: Preußen gibt dem hartnäckigen Drängen der Franzosen nach und anerkennt die „natürliche Grenze“ Rhein, es verzichtet auf die linksrheinischen Gebiete. Eine Demarkationslinie, die von keinem Franzosen überschritten werden darf, neutralisiert den Nordwesten Deutschlands.
Antonius FILPE und Regina geb. PASCHKE können sich am Samstag, den 24.Mai 1794 über die Geburt ihres ersten Sohnes und Stammhalters freuen, der in Jungferndorf Nr.67 zur Welt kommt. Er wird nach seinem stolzen Vater Anton FILPE benannt und am selben Tage getauft. Das neue Jahr 1795 ist frische zehn Tage alt, als Maria Magdalena FILPE, fünftes Kind und erste Tochter des Frantz Anthon FILPE und Helena geb. SPIELVOGEL in Jungferndorf Nr.86 geboren wird.
Österreich kämpft derzeit im Bunde mit England gegen Frankreich weiter und kann sogar manche Erfolge für sich verbuchen: Erzherzog Karl, der Bruder von Kaiser Franz II., wirft die in Süddeutschland eingedrungenen Franzosen wieder über den Rhein zurück und wird enthusiastisch als „Retter Germaniens“ gefeiert. Aber zur allgemeinen Überraschung fällt die Entscheidung nicht am Rhein, sondern in Oberitalien. Dort übernimmt ein junger Mann, der Korse Napoleon Bonaparte, ein Freund des 1794 gestürzten, berühmt-berüchtigten Anführers der Jakobiner, Maximilien de Robespierre, am 27.März 1796 das Oberkommando über die Truppen der Französischen Republik.
Kurz
darauf kommt in Jungferndorf am Freitag, den 15.April 1796 der zweite
Sohn des Antonius
FILPE und Regina
geb. PASCHKE, mit Namen Johannes
Josephus FILPE, zur Welt. Zur
selben Zeit beginnt der Korse seinen beispiellosen Siegeslauf. Er
überrennt die österreichischen Stellungen und steht am
7.April 1797 im steirischen Judenburg. Der Kampf ist für
Österreich aussichtslos geworden, Reserven außer einigen
Milizabteilungen patriotischer Wiener Bürger fehlen, Kaiser
Franz II. kapituliert. Es folgt der Friede
von Campoformido am 17.Oktober 1797, der Österreich eine
herbe Niederlage diktiert. Die Friedensschlüsse von Basel und
Campoformido beenden den Kriegszustand Preußens und Österreichs
mit Frankreich, doch nicht den des Reiches, das soll auf dem Kongress
zu Rastatt nachgeholt werden. Der Kaiser lädt auf Grundlage der
Integrität des Reichsgebietes zu weiteren Verhandlungen ein.
Fast zwei Jahre ziehen sich die Beratungen hin (9.Dezember 1797 bis
23.April 1799).
In
diese Zeit fällt die Geburt der Theresia
Hedwig FILPE, die am Mittwoch, den 7.November 1798 in
Jungferndorf
Nr.20 als fünftes Kind und dritte Tochter der Ehegatten
Antonius
FILPE und Regina
geb. PASCHKE zur Welt kommt. Ab
1798 werden die Nachfahren der Linie II (nach Michael
FILPE ) in den Häusern Jungferndorf Nr.13, 20, 23, 24 und 29
geboren, wobei das zentrale Familienhaus dieser Linie das Haus Nr. 24
sein dürfte (Geburten 1794 -1858). Diese Häuser liegen im
Verhältnis des Stammhauses Nr.84 am anderen „Ende“
von Jungferndorf nämlich im alten Ortskern rund um die
St.Joachim-Kirche in unmittelbarer Nähe zum Schloß
Jungferndorf an der Gärtnerei. Wahrscheinlich standen diese
Nachfahren des „Schaffers auf Jungferndorf“, Michael
FILPE (1647 - 1719), noch im engen Kontakt mit der
Schloßdomäne,so dass sie Häuser in dieser Gegend
bewohnten.
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Da Frankreich im Dezember 1798 wegen der langwierigen Verhandlungen in Rastatt Druck macht und immer mehr Forderungen stellt, hofft Kaiser Franz II. mit Hilfe einer neuen Koalition den Kampf gegen Frankreich wieder aufnehmen zu können. Napoleon sitzt nach der verlorenen Seeschlacht bei Abukir gegen den britischen Admiral Nelson in Ägypten fest und die Engländer versuchen in Europa eine wirksame Allianz gegen Frankreich aufzubauen. In Wien treffen sie auf Zustimmung, auch Russland schließt sich dem Bündnis an. Preußen lehnt ein Bündnis ab, hier regiert seit dem 16. November 1797 König Friedrich Wilhelm III., ein ernster, ängstlicher Monarch. Zar Paul I. zaudert nicht lange und schickt General Suworow im Februar 1799 mit 60.000 Mann gegen Westen. Wieder ist der Kriegsgrund gegeben. Am 1. März 1799 erklärt Frankreich Österreich und Russland den Krieg. Der Zweite Koalitionskrieg nimmt für die Alliierten zunächst einen günstigen Verlauf. Erzherzog Karl wirft General Jourdan über den Rhein und besiegt bei Zürich General Masséna am 6. Juni 1799. In Oberitalien eilt Suworow von Sieg zu Sieg, eine italienische Republik nach der anderen löst sich auf, die von Frankreich errichtete territoriale Neuordnung bricht zusammen. Doch dann tritt Russland aus dem Bündnis aus und das Kriegsglück wendet sich. Überraschend kehrt Napoleon Bonaparte von seiner Expedition in Ägypten nach Paris zurück und setzt sich durch einen Staatsstreich am 9. November 1799 als Erster Konsul an die Spitze des Staates.
Am 25.November 1799 heiratet mein Vorfahre, Johannes Michael FILPE (Michael Filpe, 1776-1851) die Hedwig BUCHMANN (1778-1846) aus Neurothwasser (Bezirk Freiwaldau). Die Hochzeit findet in Neurothwasser statt (Vi I 11, 1756-1824, S.161). In diesem Kirchenbucheintrag wird Michael Filpe schon als Gärtner von Jungferndorf Nr.84 genannt. Mit der Heirat dürfte er auch das Familienanwesen übernommen haben.